Encounter – Colin Ardley : Klaus Steinmann

9.9. – 23.10.2016

Von Colin Ardley werden ein frühes Werk von 1992/1993 sowie zwei aktuelle Wandobjekte gezeigt. Gegenübergestellt werden sie Malereien von Klaus Steinmann (geb. 1939) aus dem gleichen Zeitraum.

Beide Künstler sind sich bisher nicht begegnet, haben aber einzelne Werke des anderen in meinen Räumen gesehen.

Es steht für mich schon länger an, einen Bogen zum früheren Werk Colin Ardleys zu schlagen, um zu vermitteln, wie er zu seinen Wandobjekten, die er übrigens auch als Malereien begreift, gekommen ist. Diese nun in die Gegenüberstellung mit Klaus Steinmann zu integrieren, ist ein besonders spannendes Unterfangen.

Die großformatige Papierarbeit, formal als Collage einzuordnen, ist ein Gefüge von einzelnen Papieren, die im Siebdruckverfahren als Monotypien entstanden sind und als ein großes Ganzes von ihm zusammenkomponiert wurden. Stellenweise sind die einzelnen Papiersegmente überzeichnet worden.
Der Ersteindruck vermittelt eine Konstruktion aus einzelnen Flächen, die in ihrer Umrisslinie unregelmäßig rechteckig oder vieleckig sind. Die ins Zentrum gerückte großformatige, scheinbar zweiteilige hochrechteckige Fläche gibt dem Werk neben seiner hochformatigen Ausrichtung einen zusätzlichen starken vertikalen Schub. Er wird jedoch flankiert von vielen Segmenten, die horizontal oder auch sparsam als Diagonalen eingesetzt, den Vertikalschub aufbrechen und in die Bildbreite ablenken. Ein Vexierspiel von Schichtungen ergibt sich, die in ihrer Massierung eine Bildtiefe erzeugen, weil die einzelnen Komponenten im Kontext des Großen und Ganzen, die Fragen des Davor oder Dahinter schwierig machen, zumal Ardley die einzelnen Segmente mit einem Feuerwerk aus einzelnen malerischen Farbflächen, die mal deckend, mal lasierend sind, bedruckt hat und somit das Erkennen der optischen Begrenzungen der einzelnen Collageelemente zusätzlich erschwert. Es entsteht ein Spannungsgefüge von verschiedenen ›Aktionszentren‹, die mal großzügig und versammelt wirken, und von gegensätzlichen kleinen Clusterbildungen, die innerhalb ihres zugewiesenen Raumes eine hohe Konzentration von Bewegung und Dynamik bilden. Dieses Prinzip lässt sich als Grundkonstante einer klassischen Komposition beschreiben.
Schaut man sich sein aktuelles Werk an, so wird sofort klar, dass der Künstler dieses Diktum des Raumbildens durch Überlagerungen von (farbigen) Flächen seit Mitte der 90er Jahre nun auch de facto räumlich orientiert und folgerichtig in den umgebenden Raum ›wachsen‹ lässt. Es ist ein Prozedere, das den Künstler für kleine Wandobjekte über Monate beschäftigt, bei großen gar Jahre. Die Collage bildet den Raum, die vielen Binnenräume, optisch in die ›Wandtiefe‹ hinein, die Wandobjekte ›wachsen‹ hingegen aus der Wand in den Raum hinaus. Beide Werkgruppen sind künstlerische Konstruktionen, die eine Einheit aus der Differenz bilden.

Klaus Steinmann, unverkennbar als ein Protagonist der Konkreten Kunst zu beschreiben, liebt das Spiel mit der Reduktion. Bei einem seiner ersten Galeriebesuche hat er Colin Ardley für sich als Favoriten meiner Galeriekünstler entdeckt. Das kommt nicht von ungefähr.
Auch wenn Klaus Steinmann in seiner Malerei extrem reduziert ist – man könnte geneigt sein, in diesem Kontext, allerdings nur in diesem Kontext, Ardley aufgrund der Fülle von Formen und Flächen gar als barock zu bezeichnen –, so basieren beide in ihrem Werk auf der geometrischen Form und greifen plastisch in den Raum hinein. Der eine sehr dezent, der andere wuchert regelrecht aus der Wandfläche, jedoch als komplexes und wohlorganisiertes geometrisches Formenspiel.
Steinmann unterstreicht in seiner Malerei, die die geometrischen Grundformen als Kompositionsmaterial nutzt, ihre Verankerung im Raum (also nicht nur auf dem Malgrund als Ereignis malerisch dargestellt) durch ein leichtes Einkippen oder Einsinken der gemalten Formen. Betrachtet man die Rückwände der Malereien, entdeckt man, dass mitunter eine Fülle von eingebauten Sperren die Niveauunterschiede der durch Sägeschlitze partiell nach vorne oder hinten gebogenen Flächen stabilisieren bzw. fixieren sollen. So kommt z. B. ein Teil einer Kreisform, etwa links, nach vorne, und der andere rechte Teil geht nach hinten. Das evoziert ein Schattenspiel, das in der Verbindung zur gemalten Form eine Uneindeutigkeit bewirkt, die Ansporn ist, dem scheinbar Vagen auf den Grund zu gehen. Man könnte auch von einem plastisch ausgebildeten Trompe l’œil sprechen, was unlogisch bzw. paradox erscheint. Aber genau das ist es, was den Künstler m. E. interessiert: Die gemalte Form, die erdachte und erarbeitete Komposition zusätzlich zu beleben durch das hinzukommende Schattengrau bzw. das Vexierspiel von Malerei und Plastizität. Auch die Wahl der zum Teil groben Textilien als Malgrund deuten darauf hin, dass der Künstler Wert darauf legt, einen zusätzlichen haptischen Widerstand zu haben. Dass die feinen Holztäfelchen sich verziehen, stört Steinmann überhaupt nicht. Ihm gefallen die individuelle Eigenart und der Charakter des Materials.

Wenn Klaus Steinmann schon wegen der Materialität der Leinwand oder des Malgrundes aus Textil, auf Sperrholz gezogen, eindeutig als Maler identifiziert werden kann (und auch will), so bricht er zaghaft in die dritte Dimension hinein und öffnet die Malerei zumindest für das Objekthafte. Colin Ardley – wie oben schon erwähnt – begreift sich nach wie vor als Maler, auch wenn ganz eindeutig der primäre Charakter seines Werkes seit 20 Jahren bildhauerischer Natur ist.

Die Gegenüberstellung von Colin Ardleys aktuellem plastischen Werk mit Klaus Steinmanns malerischen Werk, das in seiner Kontinuität bereits mehrere Jahrzehnte umfasst, ist eine recht eindeutige, formal einfach zu begründende Angelegenheit.

Wie ist aber das Frühwerk der energetisch aufgeladenen Collage von Ardley in das Gesamte der Ausstellung innerhalb eines Raumes einzubinden, ohne dass sie ästhetisch und formal auseinanderfällt?
Die Herausforderung habe ich gelöst, indem inszenatorisch eine der Grundformen von Steinmanns Malereien als Fläche und Form sowie als Rückprospekt für die große Collage dient und diese unsymmetrisch umrahmt, das Gesamte optisch beruhigt und die Farbfläche mit den kleinen gemalten geometrischen Formen von Steinmann verschränkt.

Semjon H. N. Semjon
September 2016

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