2023 – 2 x 88

2023 – 2 x 88

ZWEI–MAL–ACHT–UND–ACHTZIG – CIRCULAR ENCOUNTER Portfolio It is a rare event: that two female gallery artists turn 88 within a month and now meet in a small but powerful juxtaposition in one room. Within the program of the gallery, the interest is great to represent...

2022 – Addendum

2022 – Addendum

Renate Hampke – addendum 10.12.2022 – 21.1.2023 (verlängert) 3d visit Text (English) Portfolio Mit Humor und großem Selbstbewusstsein hat die Künstlerin – nunmehr 87 Jahre alt – in den letzten Monaten an zwei Werkgruppen gearbeitet, die in addendum zusammengefügt...

2018 – gefingert

2018 – gefingert

AusstellungenRenate Hampke: Gefingert – Nackte Frottagen Januar – 24. Februar 2018 (Straßen-Salon)   Renate Hampkes nunmehr 3. Einzelausstellung in der Galerie konzentriert sich auf das zeichnerische Werk der Künstlerin – mit einer Tendenz zum...

Renate Hampke – Pneuma-tacs

Renate Hampkes bereits einige Jahre künstlerische Beschäftigung mit ausrangierten Fahrradschläuchen erfährt in dieser nunmehr zweiten Einzelausstellung bei Semjon Contemporary einen Höhepunkt. Nur noch vereinzelt wird ein weiteres Arbeitsmaterial, mit dem sie seit rund 2 Jahrzehnten arbeitet, die Seife, bzw. deren Reststücke, von der Künstlerin eingesetzt.

Auf schlanken Sockeln platziert sie mehr oder weniger zusammengerollte Fahrradschläuche, die über den Sockelrand ragen und verschiedene Kompositionen in den Raum hinein generieren. Der Sockel dient nicht einfach – wie meist üblich – der Bedeutungsaufwertung des Objektes, sondern wird durch die ‚Bespielung’ mit einen oder zweier Fahrradschläuche zu einer formalen Einheit. Diese Einheit wird auch unterstrichen durch die Bemalung des unteren Sockelrandes, mit auf- und absteigenden schwarzen Dreiecksflächen. Gleichzeitig verstärkt dieser malerische Eingriff die Aufhebung des klassischen Sockelbegriffs, formuliert zumindest ein neues Seherlebnis und verwebt durch den Farbauftrag diesen mit den schwarzen Schläuchen zu einer einzigen Form.
Die Reihung sowie die Wiederholung des Prinzips – Stele und überkragende Schlauchobjekte – suggeriert, das die Künstlerin die verschiedensten Möglichkeiten  auslotet, das Spannungsverhältnis zwischen Sockel und Objekt jeweils neu zu definieren, man könnte auch sagen durchzudeklinieren.
Das Zusammenstellen verschiedener Sockelskulpturen in einem Raum erscheint wie ein Konzert aus differierenden Formen (Schlauchobjekte) und wird gesteigert durch die Auf – und Abwärtsbewegung der Sockelbemalungen, die zusätzlich für einen Rhytmus sorgen.

Die Verletzlichkeit des Schlauchs als Material wird aufgehoben durch die kraftvolle Würde, die ein jedes Objekt ausstrahlt. Über die künstlerische Bearbeitung des so scheinbar wertlosen Materials wird eine Metamorphose durch die Künstlerin ausgelöst, die ihm eine neue Identität, eine neue Form, ein neues Leben einhaucht. Zusätzlich wirken die presenten und doch zarten Objekte agrressiv, weil die verwendeten schwarzen Kabelbinder den Schlauchgebilden eine Abwehrhaltung und Gefährlichkeit suggerieren. Die Enden der Kabelbinder stoßen wie wehrhafte Stacheln in den Raum. Dennoch wird ihnen die Spitze der Drohgebärde genommen, weil die Künstlerin, einem Schelm gleich, erneut Kunst-untypische Materialien als Trouvaille kontrastreich integriert: Vom Lakritz, über einen Kunststoffpuschel bis zu Seifenstücken und einem Türschloss mit Schlüssel.

Die Künstlerin lenkt unsere Aufmerksamkeit sowohl auf das gesamte Ensemble der Stelen-Fahrradschlauch-Objekte, bietet uns aber auch gleichzeitig an, die Schönheit des derben, ‚abgelebten’ Materials in seiner Oberfläche, respektive auch in seiner neuen Form zu erleben. An dieser Stelle müssen ihre künstlerischen Fotografien von 2012 erwähnt werden (teilweise sind sie im Kleinen Schaulager der Galerie zu sehen), die Zeugnis sind eines künstlerischen Transfers von Material und Form zu einem durchkomponierten Bild, das den Schönheitsbegriff geradezu bildnerisch plausibel macht und somit stärkt und zugleich den olfaktorischen Charakter der Schläuche und Seifen ausblendet und uns diesen nur noch assoziativ erahnen lässt.

Kontrapostisch inszeniert die Künstlerin die violettfarbige Wandarbeit Seifenscheibe von 1999 aus einer Rolle Schaumfolie, wie sie bei Bauarbeiten verwendet wird und als solche in Baumärkten zu erwerben sind. Sie hat diese mit farbigen Seifenreststücken aus ihrer Seifensammlung, von Freunden und Bekannten zusammengetragen, bestückt. So kreiert sie ein farbenfrohes, das Leben bejahendes Kunstwerk, das von ihrer geistigen Unabhängigkeit zeugt. Völlig wesensfremde Materialien kombiniert sie miteinander, die eine große Gemeinsamkeit haben, da sie allesamt Fundstücke sind. Der leuchtende Farbakzent der Seifenscheibe hebt selbstbewusst den großen Hell-Dunkelkontrast der Pneuma-tacs auf.

Die Künstlerin Renate Hampke hat ein Gespür dafür, das Unbedeutende und Nebensächliche in unserer Alltagswelt wahrzunehmen und ihm ein neues Leben einzuhauchen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Betrachter sich darauf einlässt. Das war schon bei der Rezeption der Arte Povera ein unabdingbares Muss, einer künstlerischen Haltung, der sich die Künstlerin nahe fühlt. Aus dem verbrauchten Nutzwert ist ein ästhetischer Neu- und Mehrwert geworden, der gleichzeitig beiläufig von der Wertschöpfungskette des Produktmaterials berichtet und die Thematik der Nachhaltigkeit im Umgang mit unseren Ressourcen anstößt.

Die vielfach inhaltlich aufgeladenen Kombinationsskulpturen /-objekte, die sich nie auf eine eindeutige Botschaft festlegen lassen, sind dem Surrealismus nahe und tragen eine kraftvolle und doch sensible poetische Schönheit in sich.

Man mag kaum glauben, dass die geschaffenen Werke, die so frisch und keck daherkommen, von einer Künstlerin geschaffen wurden, die jüngst ihren 80. Geburtstag feiern konnte.

Semjon H. N. Semjon
Januar 2016

  • Facebook
  • Instagram
  • Artsy
  • artatberlin
  • Artland